Der Videobeweis im Handball

Update #1, 18.05.2019 - Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass der Videobeweis im Handball grundsätzlich verboten ist. Spätestens seit der Europameisterschaft der Männer im Januar 2018 in Kroatien wissen wir, dass das Video bei Entscheidungen zu Rate gezogen werden kann.

 

Doch gilt das auch in Deutschland und auch in der Bezirksliga?

Bei der EM in Kroatien ermöglichte der Videobeweis der Deutschen Mannschaft den Siebenmeter zum 25:25-Endstand gegen Slowenien. Foto: HOK

Im Gegensatz zu dem Video als Entscheidungshilfe für die Schiedsrichter bei der EM, reden wir hier von dem Videobeweis nach der getroffenen Entscheidung als Beweismittel vor einem Handballgericht.

 

Kurz gesagt: Unzulässig ist ein Video als Beweismittel nur dann, wenn damit die Korrektur einer Tatsachenfeststellung ("Tatsachenentscheidung")  bezweckt wird.

 

In allen anderen Fällen kann - meiner Meinung nach muss - ein Handballgericht Videoaufzeichnungen als Beweismittel zulassen.

 

Hierzu äußert sich die zweite Kammer des Bundessportgerichts des DHB in der auch ansonsten lesenswerten Entscheidung 2 K 01/2015.

 

"[...]Das Gericht hatte vorliegend keine Bedenken, den Videobeweis zuzulassen und zu verwerten. (...)

 

In Rede stand nicht die Korrektur einer Tatsachenfeststellung über den Videobeweis. Im Streit stand vielmehr die vorgelagerte Frage, ob die Schiedsrichter das Geschehen auf dem Spielfeld tatbestandlich richtig erfasst hatten und in der Folge nach Maßgabe insbesondere der Handball-Regeln schlicht die falschen Entscheidungen trafen (Regelverstoß) – oder ob die Schiedsrichter das Geschehen auf dem Spielfeld nicht oder nicht zutreffend erfasst hatten, dann aber konsequent auf der Grundlage ihrer objektiv unrichtigen Wahrnehmung die daran anknüpfend „richtigen“ Konsequenzen insbesondere nach Maßgabe der Handball-Regeln zogen (Tatsachenfeststellung).[...]"

 

Foto: HOK

 

Zusammengefasst: Solange sich der Videobeweis nicht auf die bloße Aufhebung einer Tatsachenentscheidung richtet (was allerdings praktisch gesehen überwiegend der Fall sein dürfte), sondern z.B. als Nachweis eines Regelverstoßes dient, ist er auch im Bereich des DHB und seiner Verbände von den "Handballgerichten" zuzulassen. Davon ist zum Beispiel auch die Bezirksliga umfasst. 

 

So hatte ich mal einen Fall, in dem die Schiedsrichter in der hektischen Schlussphase versehentlich dem falschen Spieler die blaue Karte gezeigt haben. Also z.B. der Nummer 18 statt der Nummer 28 und dies auch so im Bericht vermerkten.

 

Für das Spiel und seine Wertung gilt die Unanfechtbarkeit der Tatsachenentscheidung. Eine weitere Sperre eines kann allerdings nicht auf eine zweifelsfrei falsche Entscheidung gestützt werden, vgl. Bundessportgericht, 1. Kammer - Urteil 1/2016 am Ende.

 

Das Gericht urteilte, dass die Unanfechtbarkeit der Tatsachenentscheidung auf den Spielverlauf, das Spielergebnis und auf Strafen innerhalb des Spiels zu beschränken sei und keine Bedeutung für über das Spiel hinausgehende Betrafungen habe, wenn der Irrtum der Schiedsrichter zweifelsfrei feststehe.

 

Vorliegend hat das Bundessportgericht den angebotenen Videobeweis nicht gesichtet, weil die Schiedsrichter in ihrer Stellungnahme den Fehler selbst eingeräumt hatten. Diese Erkenntnis zogen die Unparteiischen allerdings aus dem Studium des Videos (s. Sachverhalt im Urteil), also quasi einem "indirekten" Videobweis.

 

Ohne die faire Richtigstellung der Schiedsrichter hätte das Gericht bezüglich der begehrten Aufhebung der Disqualifikation (bzw. Sperre) nach meiner Auffassung das Video zwingend zum Beweis zulassen müssen.

 

Als Vorsitzender des Verbandssportgerichts des Thüringer HV werde ich jedenfalls auf das Beweismittel Video zurückgreifen, wenn es der Wahrheitsfindung und dem Sportgedanken dient. 

 

 

Eine Prognose für die Zukunft:

Nach guten Erfahrungen bei den Europameisterschaften in Kroatien ist davon auszugehen, dass der "Videobeweis" zumindest bei großen Turnieren auch zukünftig zur Anwendung kommt. Wobei sich hier die Schiedsrichter nach eigenem Ermessen Szenen von Bedeutung noch einmal angeschaut haben, bevor sie eine (unanfechtbare) Tatsachenentscheidung trafen. 

 

Der Ablauf war also: Bedeutende Szene, Unsicherheit, Time-Out, Videostudium der Sschiris aus eigenem Antrieb (ohne Anweisung), (Tatsachen)entscheidung.

 

Streng genommen handelt es sich dabei also nicht um einen Video"beweis", sondern um eine Arbeitserleichterung oder Entscheidungshilfe für die Schiedsrichter. Die Entscheidung, die die Unparteiischen nach dem Ansehen der Szene treffen, ist nämlich als Tatsachendntscheidung unanfechtbar.

 

Angesichts des Fakts, dass mittlerweile in der ersten Bundesliga der Männer jedes Spiel mit hohen Standards und vergleichbaren Kamerapositionen produziert wird, ist es in meinen Augen nur eine Frage der Zeit, bis es die Bundesliga der EHF gleichtut...

 

Beim so genannten "Final Four" des DHB-Pokals der Männer wurde diese technische Möglichkeit schon zweimal erfolgreich genutzt.

 

Abschießender Hinweis:

Die rechtlichen Hinweise und Tipps sind sorgfältig erstellt worden. Sie sind aber allgemeiner Natur und können eine individuelle Beratung keinesfalls ersetzen. Jeder Einzelfall ist anders gelagert und oft genug sind besondere Regeln zu beachten!

 

Insbesondere bei "Handballgerichten" in den unteren Instanzen der Verbände werden leider noch oft genug konservative und überholte Rechtsauffassungen vertreten.

 

Aber auch hier lohnt sich erfahrungsgemäß - wie auf der Platte - das Kämpfen!

Kontakt und Terminvereinbarung

beste Erreichbarkeit:

 

0178 - 45 234 64

0178 - hkäding

 

 

Kanzlei Minden

Ziethenstr. 5

 

T 05 71 - 64 56 56 33

F 05 71 - 64 56 56 34

 

Zweigstelle Pr. Oldendorf - Bad Essen-Büscherheide

Heidbrinksfeld 7

 

T 0 57 42 - 922 60 77

 

info (at) handballrecht.de