(HOK). Das Strafrecht ist der vielleicht menschlichste Bereich in unserem Rechtssystem. Es ist lebensnah und selten abstrakt. Es geht um Geschichten (der Jurist sagt: „Lebenssachverhalte“), in denen Menschen die Hauptrolle spielen. Nicht Register, nicht Lizenzen, nicht Bebauungspläne oder Planfeststellungsverfahren: Der Mensch steht im Mittelpunkt.

 

Egal, ob man Angeklagter, Zeuge, Opfer oder auch nur Zuschauer ist:

Es sind immer viele Emotionen im Spiel. Geht es um Strafrecht, kann jeder mitsprechen. Schuldig oder unschuldig? Jeder hat eine Meinung dazu, die meist aus dem „Bauch“ kommt. Und das ist gut so, denn die große Teilhabe an Strafprozessen ist die beste Kontrolle der an einem Strafprozess Beteiligten. Es gibt grundsätzlich keine „Geheimprozesse“ (=„Öffentlichkeitsgrundsatz“).

 

Hier ein hoffentlich leicht verständlicher, weil oft unjuristisch formulierter grober Überblick über den Ablauf eines Strafverfahrens und die Beteiligten:

 

Wer ist beteiligt? Zunächst derjenige, dem vorgeworfen wird, gegen das Strafgesetz verstoßen zu haben.

 

Der heißt auf juristisch „Beschuldigter“, solange die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Hat die Staatsanwaltschaft fertig ermittelt und glaubt, der „Beschuldigte“ habe etwas auf dem Kerbholz, erhebt sie beim Gericht Anklage. Dann wird aus dem „Beschuldigten“ der „Angeschuldigte“, der aber in dem Moment zum „Angeklagten“ mutiert, in dem das Gericht die Anklage zulässt.

 

Nur wenn der Angeklagte verurteilt wird, ist er „Täter“ und schuldig. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt jeder Angeklagte als unschuldig. Neben dem Öffentlichkeitsgrundsatz ist die Unschuldsvermutung eine weitere tragende Säule unseres rechtsstaatlichen Straf(prozess)rechts.

 

Dann gibt es noch die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde, die sich mit Ihren Beamten „Geschichten“ (s.o.) anhört. Bei manchen Geschichten passt die Handlung nicht. Zum Beispiel, wenn gar nichts „Böses“ passiert ist. Dann hört man sich die nächste Geschichte an. Sollte einer der Mitwirkenden der Geschichte aber vielleicht gegen das Strafgesetz verstoßen z.B. geklaut haben, schaut die Staatsanwaltschaft genauer nach. Dieses „Nachschauen“ sind die Ermittlungen. Hier können viele Leute mithelfen: die Polizei, Gutachter, Zeugen u.s.w.

 

Das Gesetz schreibt der Staatsanwaltschaft vor, neutral nachzuschauen. Das heißt sie muss (!) auch entlastend ermitteln. Aus US-Fernsehkrimis kennen wir das anders. In den Vereinigten Staaten wird ein Staatsanwalt nach Verurteilungsquote beurteilt und möglicherweise wird er nicht wiedergewählt, wenn er zu viele Leute laufen lässt.

 

Das deutsche Rechtssystem ist doch nicht so schlecht, wie viele glauben…

 

Wenn die Staatsanwaltschaft die Geschichte nun vom allen Seiten beleuchtet hat (gesetzlich ist das so vorgeschrieben, praktisch jedoch der Idealfall), dann hat sie grob gesagt drei Möglichkeiten:

 

  • Sie stellt das Verfahren ein. Entweder ohne Wenn und Aber, wenn sie meint, der Beschuldigte war`s nicht. Oder auch gegen eine Geldbuße, wenn es platt gesagt um „Eierklau“ oder andere Kleinigkeiten geht und der „Böse“ noch kein Vorstrafenregister von der Länge der Weser hat.
  • Sie schreibt einen Strafbefehl. Hier ist der Staatsanwalt auch Richter. Er schreibt auf, unter welchen Voraussetzungen (meist Geldstrafe) die Sache erledigt ist. Wenn der Betroffene den Strafbefehl akzeptiert, gilt er als verurteilt. Es gibt dann aber keine öffentliche Gerichtsverhandlung, was dem einen oder anderen recht lieb ist. Wird der Strafbefehl nicht akzeptiert, geht es "normal" vor Gericht weiter.
  • Sie klagt an. Das macht sie immer dann, wenn sie einen - juristisch ausgedrückt - „hinreichenden Tatverdacht“ hat, sie also eine Verurteilung für wahrscheinlicher hält als einen Freispruch. Dann bekommt man als „Angeschuldigter“ die Anklageschrift zugeschickt, in der drin steht, was die Staatsanwaltschaft vorwirft. Die wichtigsten Beweise werden aufgezählt.

 

Das Gericht lässt die Anklage im "Zwischenverfahren" zu, wenn es nach Aktenlage die Einschätzung der Staatsanwaltschaft bezüglich des „hinreichenden Tatverdachts“ teilt. Wenn nicht, stellt es das Verfahren ein und die Sache is erledigt, wenn sich niemand erfolgreich dagegen wehrt, wie z.B. aktuell im "Loveparade-Fall" aus Duisburg.

 

Kommt es zur Gerichtsverhandlung ("Hauptverhandlung") tritt für die Staatsanwaltschaft übrigens ein anderer Beamter auf als der, der die Ermittlungen geleitet oder die Anklage geschrieben hat. Damit ist der Staatsanwalt oder in den "unteren Ligen" der (Ober)Amtsanwalt in der Verhandlung völlig unvoreingenommen. Er hört sich dort die Geschichte zum ersten Mal an.

 

Kommt es zur Hauptverhandlung, hat das letzte Wort das Gericht: Das ist bei kleineren Straftaten zunächst das Amtsgericht, bei größeren schon in erster Instanz das Landgericht. Je nachdem wie viele Richter richten und bei welchem Gericht die Verhandlung stattfindet spricht man von „Einzelrichter“, „Schöffengericht“, „kleine Strafkammer“, „große Strafkammer“ oder „Strafsenat“. Eine Verhandlung kann nach zehn Minuten vorbei sein oder sich über Jahre hinziehen. Je nach Umfang der Geschichte.

 

Den ganz groben Ablauf einer Strafgerichtsverhandlung kennen Sie aus deutschen Fernsehproduktionen. Sollte das Verfahren nicht „unterwegs“ eingestellt werden, gibt es am Ende ein Urteil: „Schuldspruch“ (=Bestrafung) oder „Freispruch“.

 

Jetzt können sich entweder der Verurteilte oder/und die Staatsanwaltschaft mit Berufung oder Revision gegen dieses Urteil wehren. Beantragt niemand die Verlängerung, wird das Urteil spätestens nach einer Woche rechtskräftig und ist nur noch in ganz wenigen und eng begrenzten Einzel- und Ausnahmefällen („Wiederaufnahme“) aus der Welt zu schaffen.

 

Einen Beteiligten haben wir aber vergessen: Den Verteidiger!

Jeder Beschuldigte hat zu jeder Zeit des Verfahrens das Recht sich einen Verteidiger (= Rechtsanwalt) zu nehmen. Der Verteidiger sorgt dafür, dass im gesamten Verfahren die Rechte des Beschuldigten oder Angeklagten gewahrt werden.

 

Im besten Fall ist er von Anfang an mit von der Partie, noch bevor der Beschuldigte eine Aussage macht. Dann hat der Verteidiger die meisten Möglichkeiten, sich erfolgreich für seinen Mandanten einzusetzen. Er wird im Normalfall immer zu seinem Mandanten sagen:

 

„Reden ist Dreck! Schweigen ist Gold!“

 

Jedenfalls solange, bis der Verteidiger durch Akteneinsicht weiß, was und wie genau die Staatsanwaltschaft nachgeschaut hat und selber die Geschichte kennt.

 

 

Link: Vorladung zur Polizei - Muss ich da hin?

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